Christian Zuppinger besuchte für Mysteria3000 im November 2002 das Museum des ‚Oriental Institute‘ der Universität von Chicago.
Ausstellungen
Anlässlich einer Geschäftsreise nach Chicago Mitte November 2002, nutzte ich die Gelegenheit für einen Besuch des Museums des ‚Oriental Institute‘ der Universität Chicago. Mein Bericht soll einige allgemeine Informationen zum Museum vermitteln und konzentriert sich weiterhin auf meine persönlichen Eindrücke von der Ausstellung und auf einige Highlights der Sammlung.
Der Name dieses Instituts, das seit 1919 Ausgrabungen und archäologische Forschung im Nahen Osten betreibt, ist wohl allen Leserinnen und Lesern bekannt, welche sich für antike Hochkulturen in diesem Gebiet interessieren. Der Gründer des Instituts, James Henry Breasted, war der erste Professor für Ägyptologie in Nordamerika. Heute ist hier nebst Anderen auch Prof. Mark Lehner tätig, der in einigen Dokumentarfilmen mitwirkte und damit einem breiteren Publikum bekannt wurde. Das ‚Oriental Institute‘ hat während der 1990er Jahre eine umfangreiche Webpräsenz aufgebaut, welche zum Teil auf den professionellen Benutzer zugeschnitten ist. Die Webseiten des Museums erlauben aber bereits jetzt einen virtuellen Museumsbesuch [1] und weitere elektronische Ressourcen wie Literaturverzeichnisse etc. sind übers Internet zugänglich [2].

Das ‚Oriental Institute‘, in dem sich die Museumsräumlichkeiten befinden (Abb. 1), steht in der Nähe der alten Hauptgebäude der Universität Chicago, etwa 20 Autominuten von Downtown Chicago mit seinen beeindruckenden Wolkenkratzern entfernt. Die Ausstellung des Museums besteht zur Zeit im Wesentlichen aus zwei großen Räumen, welche die ägyptische sowie die persische Galerie beherbergen. Die ägyptische Galerie (Abb. 2) umfasst ca. 800 Artefakte aus einer Sammlung von über 25.000 Objekte von der prädynastischen Periode bis zur byzantinischen Zeit.

Die persische Galerie umfasst ca. 1000 Artefakte von der archaischen Susiana-Periode bis zur Islamischen Zeit (1000 AD). Im Museumsführer erfährt man, dass viele der hier ausgestellten Stücke nicht käuflich erworben, sondern im Rahmen der archäologischen Expeditionen des Instituts gefunden worden seien. Somit ist einerseits die Echtheit der Artefakte gewährleistet und andererseits wurden gleichzeitig wertvolle Informationen über den Fundzusammenhang erlangt. Einige historische Fotos an Wänden über den Vitrinen zeigen die Situation vor Ort zur Zeit der verschiedenen Ausgrabungskampagnen, speziell diejenigen der 1930er Jahre in Mesopotamien. Ein recht umfangreiches Fotoarchiv ist auch per Internet abzurufen. [3]
Auf dieses Museum trifft das Sprichwort „klein aber fein“ zu. Tonbildschauen und aufwendige technische Installationen werden hier nicht geboten (mit Ausnahme eines einzelnen PC’s, auf dem eine Multimedia-CD läuft). An den Wochenenden finden im Institut öffentliche Filmvorführungen, Führungen und Seminare statt. Der Museumsshop (der sich „Suq“ nennt, so wie die Märkte im nahen Osten) führt ein umfangreiches Angebot an Nachbildungen, Schmuck etc., zudem. findet man hier einige Publikationen der Archäologen des Instituts. Wie ein Zugeständnis an die moderne Popkultur erscheint eine Ausstellung von Grafitti-Künstlern in einem Vorraum, wo auf besprayten Tafeln rockende Pharaonen dargestellt sind.
Betreten wir nun aber den Hauptraum der ägyptischen Ausstellung. Schwerpunkte sind das tägliche Leben der damaligen Gesellschaft, ihre Berufswerkzeuge, Kleidung, Nahrung und religiösen Praktiken. Im Zusammenhang mit den verschiedenen Berufen im alten Ägypten fiel mir die Sammlung von Miniatur-Modellen bzw. Statuetten von Handwerkern bei der Arbeit auf. Ein Gutsherr liess diese Figuren der Angehörigen und Arbeiter seines Haushalts für das Familiengrab anfertigen (Grab von Nykauinpu, Zeit der 5. Dynastie). Auf diese Weise wurde z.B. die Arbeit in einer Schlachterei dargestellt (Abb. 3).

In einer anderen Vitrine werden verschiedene Werkzeuge gezeigt, welche bei der Steinbearbeitung und anderer Arbeiten auf Baustellen und im Steinbruch benutzt wurden. Hier sieht man Kupfermeissel, Sägen, Hämmer und dazu antike Miniaturmodelle (als Grabbeigaben) von grösseren Geräten, die bisher noch nicht als vollständige Objekte gefunden wurden, wie z.B. eine Wippe (Abb. 4, im Vordergrund, Meissel und Hammer am rechten Bildrand und hinten). Der Bau der Pyramiden und anderer Bauwerke wird in der Ausstellung nicht weiter thematisiert.
In einer Vitrine zum Thema Nahrungsmittel und deren Zubereitung werden Koch- und Backutensilien gezeigt, u.a. eine der typischen breitkrempigen Tonformen zum Brotbacken wie sie in grosser Zahl gefunden wurden und andere Küchengefässe, zum Teil noch mit den Überresten von Nahrungsmitteln gefüllt.

Natürlich besitzt die Sammlung auch viele Stücke, die mit den religiösen Praktiken und mit den Begräbnisgepflogenheiten im Zusammenhang stehen. Ein prädynastisches Grab mit den nur durch den heissen Sand konservierten menschlichen Überresten und einigen Grabbeigaben wurde vollständig rekonstruiert. Ein Beispiel für ein Begräbnis unter Verwendung hochentwickelter Mumifizierungstechniken ist die Mumie und der bemalte Sarkophag von Meresamun (22. Dynastie, siehe Abb. 2 rechts). Der Sarkophag mit der Mumie wurde 1920 erstanden und ist seither im Besitz des Oriental Institute. Die Mumie wurde mittels Computertomographie untersucht, wobei weitere Einzelheiten zur Mumifizierung und zu den Lebensumständen der Toten (ihr Titel lautete „Sängerin im Innern des Tempels von Amun“) bekannt wurden.
Eine weitere Vitrine ist den verschiedenen Grabbeigaben wie Kanopen-Krüge, Buch der Toten, Amuletten etc. gewidmet. Wie bei anderen Themen wurden die Stücke nach verschiedenen Zeitperioden angeordnet um die Entwicklung der altägyptischen Geschichte und Kultur zu verdeutlichen. Eine mit noch immer leuchtenden Farben bemalte Holztafel, eine Begräbnisstele aus der 22. Dynastie (Abb. 5), hat mich hier besonders beeindruckt: Die Verstorbene bringt dem Gott Re-Harakhty Opfergaben dar und bittet ihn, für Nahrung und Trank im Jenseits zu sorgen.

Die Szene auf der Tafel stellt die freudige Erwartung eines jenseitigen Lebens dar, wo kein Mangel herrscht und Jugendlichkeit und Schönheit ewig währen. Der hintere Teil der ägyptischen Galerie wird von der Kolossalstatue von Tutenchamun beherrscht. Die imposante Statue wurde im Rahmen einer Ausgrabung in Theben gefunden und restauriert.
In der Galerie der persischen Sammlung haben mich vor allem die monumentalen aber dennoch äusserst detailreichen Reliefs beeindruckt. So z.B. den in Abb. 6 gezeigten Schutzgeist, ein Mischwesen, das den Körper eines Stieres, den Kopf eines Menschen und die Schwingen eines Vogels besitzt (Thronsaal des Königs Sargons des 2., Khorsabad im heutigen Irak, um 721 vor Christus). Von enormer Kraft ist auch die Skulptur eines Stierkopfes aus poliertem schwarzem Kalkstein (Persepolis im heutigen Iran, um 480 vor Christus).

Wunderschön ist die Darstellung eines daherschreitenden Löwen, welche mit verschiedenfarbig glasierten Kacheln ausgeführt wurde. Verschiedene Rollsiegel, Schmuck und kleinere Statuetten von Schutzgeistern, Dämonen und Helden runden die Ausstellung ab. Einen Großteil der persischen Sammlung des ‚Oriental Institute‘ stammt von Ausgrabungen um 1930 in Persepolis (im heutigen Iran gelegen). Leider hatte ich für den Persischen Teil der Ausstellung nur noch wenig Zeit, weshalb ich hier nicht weiter ins Detail gehen kann. Damit ging für mich ein lohnender und interessanter Museumsbesuch zu Ende.
Für unsere Leserinnen und Leser, die sich weiter informieren möchten, empfehle ich die Webseiten des ‚Oriental Institute Museum, Chicago‘.
Anmerkungen
[1] virtueller Museumsbesuch: http://www-oi.uchicago.edu/OI/MUS/OI\_Museum.html
[2] elektronische Ressourcen: http://www-oi.uchicago.edu/OI/OI\_Electronic\_Resources.html
[3] Fotoarchiv: http://www-oi.uchicago.edu/OI/MUS/PA/OI\_PA.html
Abbildungen
[1], [2], [4] Christian Zuppinger
[3], [5], [6] Oriental Institute